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Diskussion der thematischen Blöcke

Erstes Treffen und Vorstellung

Das erste Zusammentreffen mit den belorussischen KomilitonInnen und Professoren, mit denen wir die meisten der gemeinsamen Diskussionen führten, stand unter dem Stern der allgemeinen, durch die Anreise bedingten Müdigkeit. Jedem von uns ist wohl der beeindruckende Konferenzraum, der für diesen Anlass gewählt worden war, imGedächtnis geblieben. Anders als von uns erwartet, handelte es sich bei den StudentInnen der internationalen Beziehungen, die sich bereit erklärt hatten, während unserer Sommerschule gemeinsam mit uns zu debattieren, jedoch nicht um Master-, sondern um Bachelorstudenten, teilweise sogar um Erstsemester. Dies sollte die nachfolgenden Sitzungen zwar prägen, doch keineswegs in einer einschränkenden Art und Weise. Bei der Vorstellungsrunde mag die Tatsache, dass wir ESGler in unserem Studium bereits so viel weiter fortgeschritten waren, möglicherweise einen leicht einschüchternden Effekt gehabt haben. Zentral bei diesem ersten Treffen war die Vorstellung der Studierenden, Professoren und Institutionen. Der Redeanteil der Minsker Professoren war dabei etwas größer, der Grund dafür war möglicherweise, dass so ausführlich auf die Rolle Deutschlands als zentralem Akteur europäischer Politik eingegangen wurde. Auf belorussischer Seite übernahm die Einführung der Dekan der Fakultät für internationale Beziehungen, Professor Viktor Shadurski, und Professor Vladislav Froltsov.

Bild: Katarzyna Laszuk

Identity and History

Am Mittwoch wurden unter Vorsitz von Professor Martin Schulze Wessel Erinnerungspolitik und Identität im belorussischen Kontext diskutiert. Zwar kamen auch die für diesen Zusammenhang typischen Thesen und Konzepte, wie das des kommunikativen und des kulturellen Gedächtnisses, der „narrative turn“ und Hayden White oder Pierre Noras Erinnerungsorte zur Sprache, doch trug die Diskussion in weiten Teilen den Charakter eines Interviews. Dabei herrschte eine klare Arbeitsteilung: Die Studierenden des ESG fragten die BelorussInnen nach ihren persönlichen Ansichten, Erfahrungen und Prognosen bezüglich Identität und Geschichtspolitik und geopolitischer Selbstverortung.

Bild: Maximilian Fixl

Belarus in the International System

Die donnerstägliche Sitzung gestaltete sich ähnlich wie die des vorangegangenen Tages, allerdings hatten sich die Rollen ein wenig geändert. Fürs Fragenstellen waren zwar immer noch wir verantwortlich, doch das Antworten übernahm nun Professor Shadurski. Dabei wurden viele verschiedene Themenkomplexe angeschnitten und, oft anekdoten- und detailreich, erläutert. Unter anderem sprachen wir über den Transport von Atomreaktoren, die Entwicklung von Raketensystemen und chinesische Batteriefabriken. Besonders ausführlich gingen wir auf die 90er Jahre in Belarus ein, auf die Zäsur 1996, die Unvollständigkeit von Gorbatschows Reformen und den nie vollendeten Elitenwechsel.

Bild: Felix Jeschke

Debates in Epistemic Communities

In der von Professor Alexander Libman geleiteten Diskussion am Freitag hatten auch die Minsker KommilitonInnen genug Zeit gehabt, um die Texte vorzubereiten. In Kombination mit den präzisen Diskussionsfragen führte dies erstmals zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Lektüre. In Bezug auf die Debatten über epistemic communities wurde erörtert, inwiefern es eine eigene „russische Schule“ der internationalen Beziehungen geben kann. Am Ende blieb eigentlich nur die Frage offen, wie genau man damit umgehen soll, wenn der beauftragte Florist Niederländer ist.

Abschließende Diskussion

Die abschließende Diskussion am Sonntag fand erstmals nicht im repräsentativen Gebäude der Fakultät für internationale Beziehungen statt, sondern in, diesem an Repräsentativität etwas nachstehenden Konferenzraum des Hotel Sputnik, dass allerdings andere Qualitäten, wie beispielsweise Anweisungen für Klempner aufwarten konnte. Geleitet wurde diese Sitzung von Dr. Viachaslau Yarashevich. Das Hauptthema war die belorussische Wirtschaft. In diesem Zusammenhang sprachen wir über die zentralen Sektoren der Finanz-, Öl- und IT-Branche, aber auch über den immer noch großen Einfluss des Staates auf die agrokulturellen Kapazitäten des Landes. Nicht nur in diesem Zusammenhang war von Kartoffeln die Rede.
Die vielleicht interessanteste Diskussion wurde am Montagmorgen, zwischen Frühstück und Heimreise geführt. Der Historiker und ehemalige Oppositionspolitiker Valentin Golubew beantwortete uns einige Fragen, wobei Professor Libman herausragende Qualitäten als Übersetzer unter Beweis stellte. Wir erhielten so Erfahrungsberichte eines Zeitzeugen über die belorussische Nationalbewegung in Zeiten von Glasnost und Perestroika, über die Erlangung der Unabhängigkeit und über die frühen Jahre belorussischer Politik, vor und während der Wahl Lukaschenkos. Dieses Zusammentreffen beinhaltete einige sehr emotionale Schilderungen, die bestimmt jedem von uns im Gedächtnis bleiben werden.

(Paul Primbs)